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Presseecho vom 13.07.2004

Raumerfahrungen in der Lausitz

Von Katharina Gräbner

Woran erkennt man einen Lausitzer? Verwendet er Begriffe wie „Der stinkt ja wie Hupatz“ oder „Ich habs auf der Plautze“, droht er seinen Kindern mit dem Bubak oder bezeichnet er ein kleines, verfallenes Häuschen als „Kamurke“, kann man ziemlich sicher sein, einen Bewohner der Landschaft zwischen dem 14. und 15. Längen- und dem 51. und 52. Breitengrad - so die geografisch korrekte Lagebestimmung der Lausitz - vor sich zu haben. Alle diese Begriffe sind Reliktwörter - aus dem Sorbischen entnommen und im deutschen Sprachgebrauch manifestiert. Der „Hupatz“ kommt vom sorbischen Wort für Wiedehopf „hupac“, die Plautze von „pluca“ - die Lunge. Bubak bezeichnet im Niedersorbischen ein missgestaltetes Wesen, heute ist es der Name einer Hörfunksendung im ORB und einer Lübbener Gaststätte - wird also genutzt, um die regionale Identität zu stärken. Die ethnische Besonderheit der Lausitz - das Zusammenleben von Deutschen und Sorben in einer Region - ist das Thema der Publikation „Raum-Erfahrungen - Leben in der Lausitz“, welche Bestandteil der Internationalen Bauausstellung Fürst-Pückler-Land in Großräschen ist. Dabei geht es nicht vordergründig um „Sorbisches“, schon gar nicht um das Bild einer „ethnischen Minderheit unter dem Markenzeichen des kunstfertig verzierten Ovals eines Hühnereis“, wie Herausgeberin Susanne Hose im Vorwort schreibt. Vielmehr will das Lesebuch Fragen beantworten, wie „Was bedeutet die Lausitz für die, die hier leben?“ und „Welche Erfahrungen haben die Menschen mit dem Lebensraum Lausitz gemacht?“ Es zeigt die „Innensicht“ der Lausitzer und soll ihr Gefühl von Heimat nach außen tragen. Das gelingt durch eindrucksvolles historisches Fotomaterial sowie durch die Bildkapitel des Fotografen Thomas Kläber, der Lausitzer Landschaften - kaputte wie idyllische - und ihre Menschen dokumentiert. In den Texten kommen die Besonderheiten der Lausitz zum Ausdruck: die zweisprachige Theaterkultur (Dietrich Scholze), die Lausitzer Pop- und Rockszene (Fabian Kaulfürst) sowie die sprachlichen Eigenheiten der Region (Susanne Hose, Helmut Jentsch). Auch die spezifischen Probleme werden besprochen: Die Zerstörung von Lebensraum (Ines Neumann), Umsiedlung und Vertreibung (Ines Keller) und von die Schwierigkeiten der Identifikation (Ingrid Hustädt). Poeten, Schriftsteller und Liedermacher (so Gerhard Gundermann, Pitkunnings, Roza Domascyna, Mato Kosyk und Jurij Koch) runden mit ihren Texten das Bild vom Lebensraum Lausitz ab. Dabei ist die Trennung der beiden Lausitzen, der Ober- und der Niederlausitz, aufgehoben. Als Entwicklungs-, Kommunikations-, Bildungs-, Spiel-, Sprach- und Abraum wird sie, die historisch bis in die heutige Zeit immer zweigeteilt war, als „Raum voller Atmosphäre, zu dem man in eine emotionale Beziehung treten kann“, als Ganzes betrachtet.

ZeitmaschineLausitz, Raum-Erfahrungen - Leben in der Lausitz, Ein Lesebuch, Hrsg.: Susanne Hose, Sorbisches Institut Bautzen, IBA Fürst-Pückler-Land, Verlag der Kunst Dresden, Verlagsgruppe Husum 2004, ISBN 3-86530-058-8

Quelle: Sächsische Zeitung

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