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Historie

Die Entwicklung der Schwimmenden Architektur

1. Erstes Leben auf dem Wasser
2. Zwischen Not und neuem Reiz
3. Ein Ausdruck von Freiheit
4. Probleme des neuen Wohnens
5. Gegenwärtige Entwicklung
6. Niederlande weit vorne
7. Schwimmende Visionen

Erstes Leben auf dem Wasser

Bereits vor 5000 Jahren befanden sich schwimmende Dörfer auf den Flüssen Tigris und Euphrat. Auf dem Tonlé Sap in Kambodscha oder auf dem Titicaca See in Peru entwickelten sich ganze mobile Wohninseln auf dem Wasser.
Hausboote, mit Wohn- sowie Wirtschaftsfunktion, existieren schon seit Tausenden von Jahren in asiatischen Städten.

Im Vergleich dazu ist die Geschichte des schwimmenden Wohnens und Arbeitens im Westen noch recht jung. Sie beginnt im 19. Jahrhundert in Nordamerika, in den Niederlanden, in Frankreich, aber auch in Deutschland, (z.B. Hamburg). Diese Geschichte lässt sich anhand der verschiedenen Motivationen erzählen, die Menschen bewogen, ein Haus auf dem Wasser zu bewohnen: Beruf, Armut, Luxus oder Individualismus. Die ersten Europäer und Amerikaner, die auf das Wasser gingen, waren Menschen mit einer beruflichen Beziehung zum Wasser. Forstwirtschaftsarbeiter bauten im 19. Jahrhundert kleine Gebäude auf ihren Flößen, die sich zu Familienwohnungen und kleinen Betrieben weiter entwickelten. In Seattle, San Francisco (USA) und Vancouver (Kanada) folgten schon bald Fischer, Bootsbauer und Hafenarbeiter. Im Stadtteil Sausalito/ San Francisco entstand eine der ersten schwimmenden Siedlungen um 1800. Im Hamburger Hafen dienten schwimmende Häuser als Kontore, Werkstätten und Lager für den Warenumschlag von Gebäuden auf Schuten. Auch in den Niederlanden, wo viele beruflich ein Schiff benutzten, war es üblich auch darauf zu wohnen, selbst nach der Rente, als das Schiff nicht mehr zum Fahren genutzt wurde.

Zwischen Not und neuem Reiz

In den 1920er Jahren entdeckten wohlhabende Amerikaner zum ersten mal die Reize des Wasserwohnens und bauten luxuriöse, schwimmende Sommerhäuser und selbst ein schwimmendes Theater in Seattle. Die meisten schwimmenden Häuser im 19. und 20. Jahrhundert entstanden nicht aus Reichtum, sondern aus Armut oder zur Erfüllung eines praktischen Nutzens. In den Krisenjahren der USA, ab 1930, bot ein Hausboot für viele die einzige Möglichkeit, Unterkunft zu finden. Das Wohnen auf dem Wasser war damals billiger als eine Mietwohnung auf dem Land. Jedoch wurde diese Art des Wohnens noch nicht reguliert. Hausboote wurden mit gefundenen Materialien selbst gebaut. Man musste dafür kein Land besitzen und war niemandem Miete schuldig. Am Ende der 1930er Jahre lagen in Seattle ca. 2000 Hausboote auf den Seen. Die Zerstörungen des zweiten Weltkrieges und die hohen Geburtenraten der Nachkriegsjahre brachten auch in den Niederlanden eine Wohnungsnot hervor. In dieser Zeit war ein Hausboot für viele eine bezahlbare Lösung. Sie boten wenig Raum, wenig Luxus, waren mit Öl- oder Holzöfen beheizt und hatten weder Anschluss an Elektrizität noch an Frischwasser.

Ein Ausdruck von Freiheit

Heute ist das Wohnen auf dem Wasser mehr und mehr ein Ausdruck individueller Lebensweise. Als sich die wirtschaftliche Situation in Amerika und Europa nach dem 2. Weltkrieg besserte, drückte sich im Wohnen auf dem Wasser Freiheit aus. So wurde das Lebensgefühl schwimmend zu wohnen von Künstlern, Studenten und Anhängern der Hippie-Bewegung entdeckt. Die schwimmende Siedlung von Sausalito änderte ihr Gesicht. Die im Vergleich zum gegründeten Hausbau preiswerten Hausboote (Umbau ausgedienter Schiffe und Boote) waren eine Möglichkeit, die Vorteile der Zentrumsnähe einer Stadt mit dem Leben im Naturraum Wasser zu verknüpfen. Das Erleben des Wassers, und damit der Liegeplatz des Bootes, wurden wichtiger. Mehr und mehr wurden Schiffe gebaut, die nicht mehr primär den Zweck erfüllten, damit zu fahren, sondern um darin zu wohnen. Das Wohnen auf dem Wasser galt bald als „Lifestyle“.

Probleme des neuen Wohnens

Diese Freiheit wurde oft durch behördliche Restriktionen in Frage gestellt. Sowohl in amerikanischen als auch in europäischen Städten haben sich die Behörden oft mit der Gesellschaft der Wasserbewohner schwer getan. Als im 20. Jahrhundert hygienische Aspekte von Seiten der Behörden in den Vordergrund traten, wurden Hausboote aufgrund des fehlenden Anschlusses an die Kanalisation als Gesundheitsrisiko betrachtet. Außerdem passte der manchmal unordentliche Charakter und der alternative Ruf des Hausbootes nicht in moderne Städtebaupläne. Die Behörden reagierten auf die wachsende Popularität der Hausboote mit Verordnungen zur Abwasserbeseitigung und Restriktionen zum Beispiel auf Ausmaß und Liegeplatz. Schließlich hat es oft Unklarheit über den rechtlichen Status der schwimmenden Häuser gegeben und damit über die Rechte und Pflichten der Bewohner. Hier zeigt sich schon die besondere Position, die das Leben auf dem Wasser immer eingenommen hat.

Gegenwärtige Entwicklung

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts änderte sich langsam die Bedeutung der schwimmenden Häuser. Mehr und mehr entdecken Architekten, Raumplaner, Projektentwickler und Behörden, dass Schwimmende Architektur sowohl in der Stadt als auch auf dem Land einen Beitrag zu wirtschaftlichen und räumlichen Entwicklungen leisten kann. In Gebieten mit hohem Raumdruck kann durch schwimmende Bauten eine Flächenerweiterung erreicht werden. Städtisches Gewässer, das zur Qualität des Freiraumes beiträgt, wurde als Wohnraum genutzt. Die durch gewachsene Ansprüche an die Ausführung höheren Baukosten für ein schwimmendes Haus werden (teilweise) durch die Einsparung des Baugrundstücks kompensiert, das gerade in städtischen Gebieten sehr teuer sein kann.

Das Gefühl von Freiheit und Verbundenheit mit dem Element Wasser macht Schwimmende Architektur in der Gegenwart zu einer elitären Wohnform. Die Tradition vom Leben auf Hausbooten und schwimmenden Häusern setzt sich in San Francisco, Seattle und Vancouver und Hamburg derzeit fort: Sausalito/ San Francisco zählt fünf Häfen für schwimmende Häuser in der Richardson Bay. Insgesamt gibt es dort mehr als 400 Häuser, die nicht an Straßen stehen, sondern an Stegen angelegt sind. Die Häuser sind von den besonders Bewohnern selbst entworfen worden, was zu einer bunten Architekturmischung geführt hat. Auch in der Nähe von Vancouver gibt es solche Siedlungen. Auf den Seen der kanadischen Provinz British Columbia schwimmen immer noch ähnliche Hütten wie die primitiven Wohnungen, die im 19. Jahrhundert von Forstwirtschaftsarbeitern gebaut wurden. Heute sind sie ausgestattet mit Elektrizität und dienen als populäre Ferienhäuser für Stadtbewohner. Auch in Deutschland entstanden schwimmende Ferienhäuser, wie z.B. auf der Insel Usedom (2002) oder derzeit in Hamburg. Auch in Berlin werden schwimmende Häuser geplant. und so zeichnet sich In einem Wettbewerb hat die „Wasserstadt“ Berlin schwimmende Häuser im Hochpreissegment entwerfen lassen, die als luxuriöse Eigenheime auf dem Wasser die Stadt bald um eine Attraktion bereichern sollen.

Niederlande weit vorn

In Roermond entstand 1998 ein Ferienpark mit schwimmenden Bungalows. Die Besucher können von ihrer Veranda gleich in ihr Boot steigen. Die Stadt Amsterdam baut seit 1999 auf neu aufgespültem Land das Stadtviertel IJburg. Die Stadt bietet hier neben den auf Land gegründeten Häusern 110 „Wasserkawel“ (Wasserparzellen) an, auf denen eigene Häuser, ähnlich wie in San Francisco, zu Wasser gelassen werden können. Ein architektonisch interessantes Beispiel ist das schwimmende Haus des niederländischen Architekten Herman Hertzberger, das in einem Neubauviertel in Middelburg (Niederlande) gebaut wurde. Hertzberger hat die Möglichkeit vorgesehen, das Haus zu drehen, um die Sonneneinstrahlung regulieren zu können oder die Aussicht zu ändern. Auch wurden hier bereits Projekte realisiert, in denen schwimmende Häuser als Lösung für hochwassergefährdete Gebiete eingesetzt werden. In Maasbommel sind an der Maas 14 permanent schwimmende und 32 „amphibische“ Häuser gebaut worden, die sich mit dem Wasser bewegen, wenn es hoch genug steht. In Gouda wird auf einer der tiefsten Ortslagen der Niederlande, etwa fünf bis sechs Meter unter dem Meeresspiegel, ein neues Stadtviertel gebaut. Dank der mit dem Wasser aufschwimmenden Häuser kann hier eine relativ große Auffangfläche für Oberflächenwasser freigehalten werden. Zudem bietet das Bauen auf dem Wasser einen technischen und finanziellen Vorteil, weil nicht so viele Pfähle in den für die Region typischen weichen Torfboden eingerammt werden müssen.

Schwimmende Visionen

Die Entwürfe vieler Architekten verheißen Großes für diese Bauform. Viele lassen sich inspirieren vom Reiz des Wasserwohnens und haben schwimmende Häuser mit großen Fensterfronten entworfen – sowohl unter als auch über dem Wasserspiegel. Und die Visionen von Schwimmender Architektur gehen weit über das Wohnen auf dem Wasser hinaus. Der französische Architekt Zoppini stellt sich schwimmende Großprojekte vor, wie die Stahlbetoninsel ISULA, die vor der Küste von Monaco gebaut werden soll, oder den Plan für einen schwimmenden Flughafen bei San Diego (USA). Der Japaner Kikutake, der bereits 1975 einen Prototyp einer schwimmenden Meeresstadt baute, präsentierte 1990 seine Pläne für „Linear Marine City“, ein 400 Kilometer langes schwimmendes Inselband entlang der japanischen Küste, mit allem, was man von einem städtischen Gebiet erwartet. Die Visionen reichen bis hin zu Städten, die nicht nur schwimmen, sondern sich auch über die Ozeane bewegen, wie „Zoppini´s AZ Island“ (2002) oder „Nixons Freedom Ship“ (2000), das für das Wohnen auf den Ozeanen entworfen wurde. Obwohl solche Projekte laut den Entwerfern technisch machbar sind, wird es wahrscheinlich noch einige Zeit dauern, bis sie realisiert werden. Was es dagegen schon gibt, sind schwimmende Bohrinseln für Offshore-Öl- und Gasförderung, schwimmende Wege, ein schwimmendes Gewächshaus, eine schwimmende Tauchschule, schwimmende Hotels und Restaurants. Hochhäuser, ein Studentenheim und ein Kindergarten auf dem Wasser sind bereits in Planung.

Die Schwimmende Architektur hat also die enge Bindung zur Wohnnutzung verloren und strebt nach einem universellerem Einsatz. Ihre Vielseitigkeit wird durch weitere Funktionen erweitert. Diese Anpassung an Landschaftsraum und Nutzung soll auch in der Lausitz vollzogen werden.

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letzte Änderungen: 26.1.2017 13:13